Einer der ältesten, traditionsreichsten und ursprünglichsten Berufe in der Region Jerez ist der des Venenciador. Seit man begann mit Sherry zu handeln – also seit die allerersten Sherry-Weine produziert wurden – gab es die Notwendigkeit, die Qualität und den Preis durch Verkostung festzustellen.

“Der Venenciador ist das Gesicht des Sherrys – innerhalb und außerhalb der Bodega.”

Das Gesicht des Sherrys

Als man damit begann, Holzfässer für Lagerung, Reifung und auch für den Transport des Sherrys zu verwenden, wurde es notwendig, besondere Techniken für die Probeentnahme zu entwickeln. Für die Probenentnahme ist besonderes Geschick erforderlich. Ein Sherry-Fass ist immer mit einem Spundloch in der Mitte einer der seitlichen Streben versehen. Liegt das Sherry-Fass in der Andana oder Fassreihe im Weinkeller, befindet sich das Brett mit dem Loch in der Mitte ganz oben. Durch dieses Loch, das so genannte Bojo wird die Probe aus dem Fass entnommen. 

Während sämtlicher Stadien der Weinerzeugung werden Proben entnommen. Von der ersten Mosteinstufung bis zum langen Alterungsprozess in den Criaderas muss der Kellermeister fast ständig Proben aus dem Fass entnehmen und kosten. Seit Jahrhunderten helfen die Venenciadores den Vorarbeitern und Weintestern in den Kellereien in Jerez, Sanlúcar oder El Puerto dabei. Nachdem der Stechheber in das Loch im Fass eingeführt wurde, wird damit etwas Wein aus dem Fassinneren entnommen und anschließend schwungvoll in die Probegläser eingeschenkt. So können die Weinprüfer alle Aromen und Nuancen schmecken.

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Nur mithilfe des Stechhebers kann eine Probe aus dem mittleren und sogar dem unteren Teil des Fasses, wo sich Bodensätze und Unreinheiten abgesetzt haben können, entnommen werden. Wichtig ist, dass die geringe Menge Sherry aus einem bestimmten Abstand in die Probegläser gegossen wird. Dadurch kann der Wein "atmen", und die Tester können alle seine Nuancen bewerten. Diese Art der Probenentnahme erfordert besonderes Geschick und ist spektakulär anzusehen. Sie wird tagtäglich in den Kellereien durchgeführt und ist unverzichtbarer Teil der Qualitätssicherung.

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Die Venencia wird durch das seitliche Spundloch in den Wein getaucht – das sogenannte Bojo des Fasses.

Das Instrument und das Handwerk

Der Stechheber, eine schmale Kelle mit Stiel, auch Venencia genannt, ist das Instrument, das dem Handwerk des Venenciador seinen Namen verleiht. Der Ursprung des Stechhebers ist nicht ganz klar, doch einige Wissenschaftler verweisen auf das Altertum. Im Kunsthistorischem Museum in Wien ist eine griechische Keramik ausgestellt, auf der ein Knabe ein Instrument hält, das den heutigen Stechhebern erstaunlich ähnlich sieht. Den Historikern zufolge handelt es sich um einen Krug aus dem Jahr 490 v. Chr., auf dem ein Mundschenk Achilles Wein ausschenkt. In der linken Hand hält er ein Sieb (um die in den damaligen Weinen enthaltenen Verunreinigungen herauszufiltern) und in der rechten eine Art Stechheber.
Die Bezeichnung dieses Instruments hängt direkt mit seiner ursprünglichen Funktion beim Weinverkauf zusammen. Dabei musste immer eine Probe des Weins entnommen werden, um eine Grundlage für die Preisvereinbarung (Avenencia) zu schaffen.
Der Stechheber ist ein Instrument mit einem langen, flexiblen Stab, glas- oder becherförmigen Behälter an einem Ende und einem Haken am anderen Ende. Er setzt sich also aus drei Teilen zusammen:

  1. Der Becher ist zylinderförmig und sein Boden halbrund, das Fassungsvermögen liegt bei etwa 50 Kubikzentimetern. Früher wurden sie aus Silber gefertigt, heute werden sie fast ausnahmslos, unter anderem aus hygienischen Gründen, aus Edelstahl hergestellt.
  2. Der Stab ist etwa einen Meter lang, das verwendete Material muss einerseits robust, andererseits flexibel sein. Früher wurde dieser Stab aus Walbarthaaren hergestellt. Dieses Material wird heute kaum noch verwendet. Es hat den Nachteil, dass es sich spaltet, weil der Wein mit der Zeit die Fasern angreift. Heutzutage werden dafür deshalb Kunststoff oder Glasfaser verwendet. 
    Der Stab muss deshalb flexibel sein, weil man den Stechheber in die Fässer einführen muss, während die Reihen übereinander gelagert sind.
  3. Der Haken ist ein funktionelles, aber auch dekoratives Teil. Er ist ebenfalls aus Silber oder Edelstahl hergestellt und dient zum Aufhängen des Stechhebers. Außerdem verhindert er, dass das Instrument aus den Händen des Venenciadors gleitet.

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In Sanlúcar wird noch heute eine rudimentäre Form des Stechhebers eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Schilfrohr (Caña), von dem ein Teilstück zwischen zwei Knoten so geschnitzt wird, dass es eine Art Becher formt. Aus dem restlichen rund 1 m langen Rohr wird der etwa 5 mm breite Stab hergestellt.

Der in Sanlúcar typische Ausdruck Caña de Vino ist auf diesen Ursprung zurückzuführen. Heutzutage bezeichnet man damit ein kleines Glas ohne Fuß, das dort das Probeglas aus Jerez ersetzt.

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Venencia – die Kunst des Einschenkens – lässt den Wein atmen, so dass all seine Nuancen wahrnehmbar werden.

Verwendung des Stechhebers

Der Stechheber wird am Stab gehalten – die Hand muss sich dabei so nahe wie möglich am Haken befinden. Die geschicktesten Venenciadores halten den Stechheber immer am Stabende, wodurch sie bis in die Fassmitte gelangen und außerdem die Proben aus einer größeren Höhe in die Gläser gießen können. 

Der Stechheber wird wie ein Bleistift zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger gehalten, nicht zu fest, damit er frei schwingen kann, aber fest genug, damit er nicht aus den Fingern rutscht. Er muss so senkrecht wie möglich in das Fass eingetaucht werden, damit die Hefeschicht in den Fino- und Manzanilla-Fässern weitestgehend erhalten bleibt. Auch das Herausziehen des Stechhebers mit vollem Becher muss senkrecht erfolgen. Nun wird er geschwenkt, bis er sich waagerecht zum Boden befindet. Der Weinstrahl muss direkt auf das Probeglas zielen, da natürlich kein Tropfen daneben gehen soll. Normalerweise vergrößern die Venenciadores den Abstand zwischen Glas und Stechheberbecher, während der Wein hinausgegossen wird, entweder indem sie den Stechheber anheben oder indem sie die Hand, die das Probeglas hält, ein wenig nach unten bewegen. Der Schwierigkeitsgrad wird umso höher, je größer der Abstand zwischen Weinstrahl und Probeglas ist.

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Ein erfahrener Venenciador kann mehrere Gläser in der Hand halten und gleichzeitig verschiedene Weinsorten einschenken, ohne dass sich diese vermischen.

Da der Stab des Stechhebers sehr flexibel ist, reagiert er auf das nachlassende Gewicht wenn sich der Becher leert, wird länger und neigt sich umso mehr in die Waagerechte. Erfahrene Venenciadores spielen mit diesem Effekt und verleihen dem Ausgießen des Weins einen bestimmten Takt.

Das Ende dieses Vorgangs ist besonders kompliziert, da kein Tropfen verschüttet werden darf. Mit einer abrupten Bewegung des Stechhebers unterbrechen die Venenciadores den Weinstrahl und vermeiden so ein eventuelles Nachtropfen.

Einschenken aus einem Meter Höhe

Der Stechheber ist nicht nur das praktischste Instrument im Weinkeller, er lässt sich auch zum Servieren von Wein verwenden. Die Höhe, aus der der Wein in das Glas oder Probeglas eingeschenkt wird, hängt vom Geschick des Venenciadors ab, kann jedoch bis zu einem Meter oder mehr betragen. Dabei nimmt der Wein Sauerstoff auf und gibt bei der Verkostung aus dem Glas alle Aromen und Nuancen frei.

Da das Ausschenken an sich ein faszinierendes Schauspiel ist und wohl jeder gerne Weine verkostet, sind viele Venenciadores auch außerhalb der Bodegas tätig und stellen ihr Geschick auf Festen, Feiern und anderen Gelegenheiten, bei denen Sherry und Manzanilla die Hauptrolle spielen, unter Beweis.